6 February 2017
Okay, this one is german. Der Geruchs- und der Geschmackssinn spielen im Mixed Reality Kontext eine eher untergeordnete Rolle. Das ist schade. Und wird vermutlich außerhalb von Expertenrunden und japanischen Spielhallen auch erst mal so bleiben.
In the time you spend on social media each year, you could read 200 books. Diese tiefschürfende Erkenntnis las ich irgendwo im Internet, als ich gerade natürlich kein Buch las. Pflichtschuldig stopfte ich danach ein Buch in den Koffer, nahm es zu himmelschreiend früher Uhrzeit in einem Zug zur Hand und versuchte es im Boardrestaurant zu lesen, während zwei ältere Herren auf der anderen Seite des Tisches gemeinsam sehr rührend und sehr geschäftig versuchten mittels irgendeiner Passworteingabe in das Internet zu gelangen, um dort irgendwas zu googeln. Wir tranken alle drei eine fürchterliche Tasse Kaffee und ich las auf Seite 37 des sehr schlicht und sehr treffend betitelten Buches Augmented Reality über Olfactory und Gustatory Displays.
Trockener staubiger Asphalt nach einem Sommerregen
Denn obwohl human vision zu roughly 70% of the overall sensory information to the brain responsible ist, sagt zumindest Heilig 1992, so sollte man natürlich nicht den Rest der Sinne für Mixed Reality Anwendungen vergessen. Real is just electrical signals interpreted by the brain, hieß es hier und überhaupt all das can play hideous tricks on the brain. „Olfactory displays can produce high realistic sensation which cannot be given by vision or audition“, in: Virtual and Mixed Reality – New Trends, Part I: International Conference, Virtual and Mixed Reality 2011, Seite 281ff.
Um multiple Sinneseindrücke zu stimulieren bastelte Morton Heilig sehr lange an dem so genannten Sensorama Simulator, einer leider eher kuriosen Fußnote in der VR- und Kinogeschichte, die man 2017 aus dem Nachlasskäuflich erwerben kann, weil sie niemand haben will. Hier die komplette Patentanmeldung. Ganz ehrlich bin ich von dem Geruchsthema – mit dem Kopf im Sensorama konnte man auch Dinge erriechen – vermutlich nur so geflasht, weil mein Vater mal die Geschichte eines Geruchskinos in Frankfurt erzählte, in dem man Brathähnchen auf der Leinwand eben auch ganz konkret im Saal riechen konnte. Offenbar hat auch John Waters im Kino mit Geruchssimulationen herumexperimentiert, erzählten mir kürzlich zwei Professoren der Züricher Kunsthochschule. Es habe beim Betreten des Kinosaals kleine Rubbelkärtchen gegeben, die man im entsprechenden Augenblick habe freirubbeln können. Man denke sich an dieser Stelle den Geruch von Divine.
Eine frisch gepflückte Zitrone in einem italienischen Bergdorf
„It is the cooperative effects of the breeze, the odor, the visual images and binaural sound that simulates a desired sensation in the senses of an observer“, schreibt Heilig 1962. 55 Jahre später kann man sich für 14,99 EUR eine Kerze kaufen, die man während des Spielens von Resident Evil 7 abbrennen soll, um eine immersivere Erfahrung zu haben. Passend zum Spiel erfüllt ein Geruch von altem Holz und Blut das heimische Wohnzimmer.
Erstaunlicherweise scheinen es vor allem asiatische Forscher zu sein, die das Thema in den letzten zehn Jahren umgetrieben hat. Bei SpotScents wirbeln Luftkanonen eine kleine Wolke voller Geruch in Richtung Nase. Sehr toll die Website aus dem Jahr 2003, zuletzt 2006 modifiziert, in dem die Forscher auf das „ultimative Display“ von Ivan Sutherland Bezug nehmen. Damals berichtete auch We make money not art. SmellingScreen stammt ebenfalls aus Japan (2013). Gedacht allerdings eher für den zweidimensionalen Screen. In allen vier Ecken soll Geruch drin stecken: We propose a new olfactory display system that can generate an odor distribution on a two-dimensional display screen. The proposed system has four fans on the four corners of the screen. Smells like geek spirit, mehr fiel den Journalisten bei der Bildunterschrift dazu nicht ein. SensaBubble entstand 2014 an der University of Bristol. Würde man schon ganz gerne mal ausprobieren, auch wenn die Idee von „playful notifications“ jetzt vielleicht nicht gleich so eingängig ist.
Neben diesen extrinsischen Lösungen, gibt es natürlich auch tragbare olfactory displays. Yamada und Kollegen schreiben dazu 2006 ein Paper. An dieser Stelle belassen es Schmalstieg und Höllerer in Augmented Reality mit den Beispielen, um dann noch den Food Simulator und MetaCookievorzustellen. Sobald man von dem Thema angefixt ist, lassen sich aber noch eine ganze Reihe mehr oder weniger kurioser Dinge finden. Wie das Digital Taste Interface. Oder:
“Let’s cook curry” developed by Nakamoto, Otaguro, Kinoshita, Nagahama, Ohinishi, and Ishida (2008) is an olfactory display with interactive aroma contents, “a cooking game with smells.” It presents smells of curry, meat, onion and so on by player’s control. Gefunden in: Interaction of Olfaction with Vision or Other Senses using Olfactory Display Tomohiro Tanikawa (University of Tokyo, Japan) and Michitaka Hirose (University of Tokyo, Japan) Source Title: Human Olfactory Displays and Interfaces: Odor Sensing and Presentation.
Die Tom Ford Abteilung im Duty Free Bereich eines internationalen Flughafens
Und – erst jüngst – der dritte World Congress der Digital Olfaction Society in Tokio. Wie gerne wäre man da über den sicher gemütlichen endlosen Teppichboden einer anonymen Messehalle spaziert, um mit all diesen Wissenschaftlern der Olfaction Society zu plaudern und mit klobigen Devices auf dem Kopf Dinge zu riechen, die gar nicht da sind.
Und natürlich haben sich sehr viele Leute immer schon sehr viele Gedanken zu Themen gemacht über die man mal kurz aus Versehen nachdenkt, um sich dabei so unglaublich originell vorzukommen: How incorporation of scents could enhance immersive virtual experiences. Zitat: Under normal everyday conditions, senses all work together to create experiences that fill a typical person’s life. Unfortunately for behavioral and cognitive researchers who investigate such experiences, standard laboratory tests are usually conducted in a nondescript room in front of a computer screen. They are very far from replicating the complexity of real world experiences. Das sicher weirdeste Fundstück aus dem Jahr 2010: Aroma and Taste Presentation for Entertainment Computing. Ab Seite 26.